Inklusion

Dieses Informationsportal wendet sich mit Mobilitätsinformationen an Künstler:innen, die entweder nach Österreich kommen möchten und hier kurzfristig oder dauerhaft tätig werden oder aber aus Österreich kommen und ein internationales künstlerisches Vorhaben außerhalb Österreichs realisieren möchten. Das Thema Inklusion bildet dabei eine besondere Schnittstelle bzw. einen besonderen Fokus: Was müssen Künstler:innen mit besonderen Bedürfnissen oder spezifischen Beeinträchtigungen beachten, wenn sie mit einem künstlerischen Projekt  ins Ausland reisen möchten bzw., was können sie in Österreich erwarten und wie funktioniert das System hier in Österreich generell, welche staatlichen Regelungen, Unterstützungen und Ansprechpartnerinnen gibt es?

Das Kapitel richtet sich insbesondere an Künstler:innen mit besonderen
Bedürfnissen oder spezifischen Beeinträchtigungen, stellt aber auch
Informationen für Menschen mit temporären besonderen Bedürfnissen oder
Beeinträchtigungen sowie für Veranstalter:innen und Institutionen
bereit. Gleichzeitig wendet es sich an eine interessierte
Öffentlichkeit.

 Im folgenden Kapitel werden zunächst aktuelle Begriffsbestimmungen Inklusion und Barrierefreiheit sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen kurz skizziert, bevor im Anschluss die konkreten Arbeits-Bedingungen und spezifische Problemlagen für inklusive Künstler:innen und ggfs. ihre Assistentinnen und Assistenten dargestellt werden. 

Für sie sind neben allen anderen insbesondere drei Artikel der UN-Behindertenrechtskonvention wichtig:

·        Das Recht auf kulturelle Teilhabe

·        Das Recht auf Arbeit

·        Das Recht und die Möglichkeit zu Mobilität


Zum Begriff Inklusion

Die Bewertung und Verwendung von Begriffen und Bezeichnungen verändern sich im Verlauf theoretischer wie praktischer Sensibilisierung. Der Artikel folgt dem aktuell national wie auf europäischer Ebene im juristischen wie soziologischen Diskurs Verwendung findenden Begriff der Inklusion. Im Gegensatz zur Integration zielt der Begriff der Inklusion nicht auf eine Anpassung Einzelner, sondern auf die Möglichkeit einer umfassenden Teilhabe/Partizipation und meint in gesellschaftlicher Hinsicht eine Veränderung der Bedingungen der Gesellschaft wie auch der Gesellschaft als Gesamtheit, die eine Inklusion ermöglichen. 

Soziologische Dimension des Begriffs Inklusion

Der Begriff Inklusion wurde von Talcott Parsons in die soziologische Theorie eingeführt und von Niklas Luhmann weiterentwickelt. Inklusion meint bei Parsons innerhalb der evolutionären Gesellschaftsentwicklung die Einbeziehung bislang ausgeschlossener Akteure in Subsysteme. Die Partizipation an den Leistungen der einzelnen Funktionssysteme ist laut Luhmann Inklusion. Émile Durkheim  definiert Inklusion als Gelingen gesellschaftlicher Solidarität. Bei Michel Foucault tragen Exklusion wie auch Inklusion disziplinarischen Charakter. Auch die Ungleichheitstheorie Pierre Bourdieus gründet auf dem Gegensatzpaar Inklusion und Exklusion. Eine weiterer Autor im Zusammenhang mit dem soziologischen Inklusionsbegriff ist der britische Theoretiker Thomas H. Marshall. Er begründet hiermit ein wohlfahrtsstaatliches Konzept von Citizenship.

„Inklusion bedeutet für Menschen mit Behinderungen, mit vollen Bürgerrechten aktiv und selbstbestimmt am Leben und in der Gesellschaft teilzuhaben“.


(Lebenshilfe)

Rechtliche Dimension

Auf der Basis der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wurde am 13. Mai 2006 von der UNO-Generalversammlung in New York das  Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verabschiedet und trat am 3. Mai 2008 in Kraft. Die UN- Behindertenrechtskonvention (BRK)  ist ein von 177 Staaten und der Europäischen Union durch Ratifizierung, Beitritt oder (im Fall der EU) formale Bestätigung (formal confirmation) abgeschlossener völkerrechtlicher Vertrag, der die bislang bestehenden acht Menschenrechtsabkommen für die Lebenssituation behinderter Menschen konkretisiert.

Die Grundsätze der Konvention enthält Artikel 3:

a) die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner individuellen Autonomie,einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner Unabhängigkeit;

b) die Nichtdiskriminierung;

c) die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft;

d) die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Akzeptanz dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit;

e) die Chancengleichheit;

f) die Zugänglichkeit;

g) die Gleichberechtigung von Mann und Frau;

h) die Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen und die Achtung ihres Rechts auf Wahrung ihrer Identität.

UN-Behindertenrechtskonvention Art. 4 lautet: „die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung“

Nach Artikel 4 Abs. 2 der UN-Behindertenrechtskonvention müssen diese Rechte jedoch nicht sofort, sondern sie dürfen “nach und nach” (progressiv) umgesetzt werden — soweit sie keine Verpflichtungen aus der Behindertenrechtskonvention verletzen, die nach dem Völkerrecht sofort anwendbar sind. Die Realisierung der Konvention in einem Vertragsstaat kann also Schritt für Schritt, “unter Ausschöpfung seiner verfügbaren Mittel” erfolgen.

An dieser Einschränkung wird einerseits erkennbar, dass die Konvention tatsächlich in die Praxis umsetzbar sein soll, gleichzeitig aber wird deutlich, dass bereits vorausgesetzt wird, dass jede Gesetzesänderung zur Inklusion und jede Umsetzung einer Barrierefreiheit einer gewissen Zeit bedarf ebenso wie erforderliche Baumaßnahmen, Schulungen oder erforderliches Personal.

Die progressive Realisierung bezieht sich auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; damit gemeint sind also die Menschenrechte des UN-Sozialpakts.