Inhaltliche Beschränkung des Urheberrechts (freie Werknutzung)


In bestimmten Fällen gibt es gesetzliche Ausnahmen von den urheberrechtlichen Verwertungsrechten. Diese sind – je nach Werkgattung – unterschiedlich. Es gibt aber auch generelle freie Werknutzungen, die für sämtliche Werkgattungen gelten. Da das Urheberrecht ein Schutzrecht ist, ist der Anwendungsbereich für freie Werknutzungen eher eng anzusehen. Weiters ist auch darauf zu achten, dass die rechtmäßige freie Werknutzung im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung immer von der Nutzerin, vom Nutzer bewiesen werden muss. Außerdem dürfen freie Werknutzungen nicht die ideellen Interessen der Urheberin, des Urhebers beeinträchtigen oder im Widerspruch zu den Urheberpersönlichkeitsrechten stehen. Daher sind ganz allgemein Kürzungen, Änderungen und Zusätze nicht erlaubt.

Als Ausgleich für die freie Nutzung wurden die bloßen Vergütungsansprüche eingeführt.

Allgemeine freie Werknutzungen:

Flüchtige bzw. begleitende Vervielfältigung

Eine Vervielfältigung ist als freie Werknutzung anzusehen, wenn sie bloß flüchtig bzw. begleitend geschieht, nur der Übertragung dient und keinen eigenständigen Zweck verfolgt. Das ist beispielsweise bei PC und Internetnutzung meist der Fall, da im Arbeitsspeicher automatisch eine Kopie erstellt wird.

Vervielfältigung zum privaten und eigenen Gebrauch

Diese Art der Werknutzung gilt auf sämtlichen Trägermaterialien, darf aber keinesfalls (weder mittelbar noch unmittelbar) kommerziellen Interessen dienen oder öffentlich zugänglich gemacht werden. Auch die Verwendung einer offensichtlich rechtswidrigen Quelle schließt die freie Werknutzung aus. Die Vervielfältigung zum eigenen und privaten Gebrauch hat keine gesetzliche Obergrenze, die herrschende Meinung geht aber von 5-7 Stück aus, je nach dem Zweck der Vervielfältigung.

Beispiel

Ein Lied wird legal im Internet erworben. Die Speicherung des MP3-Files auf einem MP3-Player, auf dem Mobiltelefon oder auch das Brennen auf CD, um die Musik auf verschiedenen Geräten selbst hören zu können, ist ein klassischer Fall der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch und daher eine erlaubte freie Werknutzung.

In bestimmten Fällen (insbesondere für Schulen und Universitäten, öffentliche Sammlungen und zur Medienbeobachtung) gehen die Ausnahmeregelungen noch weiter.

Ausgeschlossen ist die Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch, wenn es sich um Musiknoten, ganze Bücher oder Zeitschriften handelt. Ebenfalls unzulässig ist das Nachbauen von ganzen Bauwerken.

Die Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch Dritter ist in engen Grenzen ebenfalls erlaubt, jedoch nur auf Bestellung – nicht auf Vorrat. Die Vervielfältigung darf allerdings nicht entgeltlich sein.

In drei speziellen Fällen ist sogar die entgeltliche Vervielfältigung für einen anderen erlaubt:

  • Das Abschreiben eines Musikwerks oder eines Werkes der Literatur
  • Die reprographische Vervielfältigung, also das klassische Kopieren auf Papier (z.B.: in einem Copy-Shop)
  • Zum Zweck der Medienbeobachtung

Von der freien Werknutzung ist also in erster Linie die Vervielfältigung erfasst. Die Verbreitungsrechte sind hiervon nicht erfasst. Damit ist das öffentliche zugänglich machen nach wie vor nicht erlaubt (z. B. Upload eines geschützten Werkes auf einem sozialen Netzwerk).

Berichterstattung über Tagesereignisse

Dieses freie Nutzungsrecht umfasst nicht nur die Vervielfältigung, sondern auch die Verbreitung, etwa durch öffentliche Wiedergabe, durch Sendung oder Zurverfügungstellung. Werknutzungen, die im Rahmen eines Berichts über Tagesereignisse veröffentlicht werden, sind genehmigungsfrei. Der Begriff „Tagesereignis“ ist eng auszulegen. Genehmigungsfreie Werknutzung in der Berichterstattung ist daher nur möglich, wenn das Ereignis am gleichen Tag oder kurz zuvor stattfindet. Insbesondere Vorberichterstattungen sind davon nicht erfasst.

Das Werk selbst darf dabei nicht Gegenstand der Berichterstattung sein. Es geht eher um Werke, die im Zuge der Berichterstattung wahrnehmbar werden. Aber auch kulturelle Veranstaltungen können Tagesereignisse sein.

Beispiel

Das Team einer TV-Nachrichtensendung interviewt Menschen bei einem Volksfest. Im Hintergrund ist Musik von der Bühne zu hören. Die Verwendung dieses Beitrags ist genehmigungsfrei.

Wird hingegen ein Betrag über die auftretende Musikgruppe inklusive Konzertaufnahmen gedreht, ist dieser Beitrag genehmigungspflichtig

Zitatrecht, Karikaturen, Parodien und Pastiches

Ein veröffentlichtes Werk bzw. ein mit Zustimmung der Urheberin, des Urhebers der Öffentlichkeit zur Verfügung gestelltes Werk darf zum Zweck des Zitats vervielfältigt und verbreitet werden, sofern die Nutzung in dem Umfang durch einen besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Das Zitatrecht gilt für alle Werkkategorien, allerdings bestehen weiterhin Sonderregelungen bzw. Detailregelungen für bestimmte Werkkategorien. Bei wissenschaftlichen Werken ist ein umfangreiches „großes“ Zitat gestattet. Grundsätzlich gilt: Das Zitat muss korrekt und vollständig sein und eine Belegfunktion erfüllen, also (zum Verständnis) notwendig sein. Es darf nur im erforderlichen Umfang zitiert werden. Das reine „Aufhübschen“ von Beiträgen oder wissenschaftlichen Arbeiten ist nicht von der freien Werknutzung erfasst. Zitate müssen weiters immer mit korrekten Quellenangaben versehen sein.

Ein veröffentlichtes Werk darf überdies für die Nutzung zum Zweck von Karikaturen, Parodien oder Pastiches über eine große Online-Plattform gesendet oder der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt (§ 18c UrhG) und für diese Zwecke vervielfältigt werden.

Beispiel

Wird im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit ein künstlerisches Bild interpretiert, ist es erlaubt, diese Bild in der Arbeit abzudrucken. Das Bildzitat erfüllt in diesem Fall eine erklärende und belegende Funktion.

Öffentliche Wiedergabe im Unterricht

Auch in Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen ist die öffentliche Wiedergabe von Filmwerken zu Unterrichtszwecken erlaubt. Gleiches gilt mittlerweile auch für die zur Verfügung Stellung von digitalen Inhalten. 

Öffentliche Wiedergabe in bestimmten Geschäftsbetrieben

In Betrieben, die Bild- und Tonträger verkaufen, dürfen, soweit dies notwendig ist, Werke öffentlich wiedergegeben werden. Dem muss allerdings der Kundenwunsch vorausgehen. Beispielsweise ist es erlaubt und durchaus üblich, dass in Plattenläden Plattenspieler und CD-Player zur Verfügung gestellt werden, damit sich potentielle Kundinnen, Kunden die Musikstücke vor der Kaufentscheidung anhören können. Die allgemeine Musikbeschallung durch die Musikanlage im Geschäft ist dadurch nicht gedeckt.

Öffentliche Wiedergabe in Beherbergungsbetrieben

Beherbergungsbetriebe, also Hotels, Pensionen udg. dürfen Filme für ihre Gäste vorführen, sofern die Veröffentlichung im Inland oder in deutscher Sprache zumindest zwei Jahre her ist.

Benutzung von Bild- oder Tonträgern in Bibliotheken

Die Nutzung in Bibliotheken dient lediglich der Ansicht bzw. des Anhörens an Ort und Stelle, und ist auf zwei gleichzeitige Nutzungen beschränkt.

Unwesentliches Beiwerk

Werke dürfen vervielfältigt und verbreitet werden (z. B. auch durch Rundfunksendung), wenn sie dabei nur zufällig oder beiläufig und ohne Bezug zum eigentlichen Gegenstand der Verwertungshandlung genutzt werden.

Für behinderte Personen

Hierbei ist die Werkdarstellung in behindertengerechter Form gemeint (z.B.: Blindenschrift).

Amtlicher Gebrauch

Darunter ist in erster Linie eine Beweissicherung zu verstehen, aber auch das Kopieren oder Digitalisieren von behördlichen oder anwaltlichen Schriftstücken.

Medienarchive und Einrichtungen des Kulturerbes

Öffentlich zugängliche Bibliotheken oder Museen, Archive oder im Bereichdes Film- oder Tonerbes tätige Einrichtungen (Einrichtungen des Kulturerbes) dürfen Werke, die sich dauerhaft in ihren Sammlungen befinden, unabhängig vom Format oder Medium für den Zweck ihrer Erhaltung vervielfältigen oder vervielfältigen lassen.

Medienarchive sind wissenschaftliche Anstalten des öffentlichen Rechts des Bundes, die Sammlungen von audiovisuellen Medien erstellen und keine kommerziellen Zwecke verfolgen.

Text- und Data-Mining

Jedermann darf für eine Forschungseinrichtung oder für eine Einrichtung des Kulturerbes ein Werk vervielfältigen, um damit Texte und Daten in digitaler Form für die wissenschaftliche oder künstlerische Forschung automatisiert auszuwerten und Informationen unter anderem über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen, wenn er zu dem Werk rechtmäßig Zugang hat. Zu einer solchen Vervielfältigung sind auch einzelne Forscher berechtigt, soweit dies zur Verfolgung nichtkommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist (§ 42h UrhG).

Verwaiste Werke

Öffentlich zugängliche Einrichtungen, die Werkstücke sammeln, dürfen von Werken, für die keine zur Gestattung der Vervielfältigung und der Zurverfügungstellung berechtigte Person bekannt ist (verwaiste Werke), unter bestimmten Bedingungen Vervielfältigungstücke von eigenen Werkstücken herstellen und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen (§ 56e UrhG).

Nicht verfügbare Werke

Eine Einrichtung des Kulturerbes darf ein nicht verfügbares Werk aus ihrem Bestand vervielfältigen, senden oder öffentlich zur Verfügung stellen, um es auf einer nicht-kommerziellen Website zugänglich zu machen, wenn diese Rechte nicht von einer Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden und weiter bestimmte Voraussetzungen vorliegen (§ 56f UrhG).

Spezielle freie Werknutzungen

Für die einzelnen Felder des Urheberrechts gibt es spezielle freie Werknutzungen. Die Wichtigsten werden im Folgenden kurz dargestellt.

Musik

Besonders im Bereich der Musik ist die Aufführungsfreiheit. Erschienene Musikstücke dürfen in einigen Fällen öffentlich aufgeführt werden. Beispielsweise bei kirchlichen, militärischen oder bürgerlichen (besonders würdevollen) Anlässen, oder wenn die Zuhörer:innen kein Eintrittsgeld (auch nicht eine freiwillige Spende) bezahlen und die Veranstaltung keinerlei Erwerbszweck dient. Ausgenommen sind auch Wohltätigkeitsveranstaltungen, vorausgesetzt, keiner der Mitwirkenden erhält eine Entlohnung.

Bildende Künste

Hier ist die Besucherkatalogfreiheit zu erwähnen. Eigentümer:innen einer Sammlung können Bilder der Originalwerke vollständig oder zumindest ganze Abteilungen umfassend, in einem Katalog abdrucken, sofern das zur Besuchsförderung notwendig ist. Ähnlich verhält es sich mit der Versteigerungs- und Verkaufskatalogfreiheit. Eine weitere Ausnahme bezieht sich auf die Vervielfältigung von Porträts. Handelt es sich hierbei um ein Auftragswerk, darf dieses auch von Dritten, sogar für entgeltliche Zwecke vervielfältigt werden.

Computerprogramme

Auch Software ist urheberrechtlich geschützt. Die Bestimmungen über die Privatkopie sind hier allerdings nicht anwendbar. Deshalb gibt es für Computerprogramme eigene Regelungen, da allein schon bei der gewöhnlichen Anwendung eines Programms eine ständige Vervielfältigung stattfindet. Erlaubt ist daher die Vervielfältigung und Bearbeitung des Programms, sofern die Benutzerin, der Benutzer es rechtmäßig erworben hat und bestimmungsgemäß verwendet. Gedeckt ist auch die Fehlerbehebung durch die Benutzerin, den Benutzer selbst oder aber durch Beauftragte.